Freitag, 18. August 2017

Zwiebelsuppe - the real deal (Soupe à l'Oignon)


Zwiebelsuppe ist einfach, was soll man da verkehrt machen können? Zwiebeln anschwitzen, Mehl drüber, Brühe und vielleicht etwas Wein angießen, mit Salz, Pfeffer und vor allem Zucker abschmecken, Toastscheibe drauf und mit Edamer überbacken. Zack, Bumm, Bongjour - fertig in maximal 30 Minuten. Meint man. Findet ihr den Fehler? Jawohl, bis auf Zwiebeln und Brühe ist hier so ziemlich alles falsch und der Grund, warum diese Suppe auf Speisekarten in Restaurants bei mir sofortige Fluchtreflexe auslöst.

Um einmal mit dem zeitlichen Faktor anzufangen: mir stellen sich ja immer die Nackenhaare auf, wenn ich lese, dass Leute das, was sie Bolognese nennen, eine halbe Stunde, maximal 60 Minuten köcheln lassen. Was soll dabei schon Vernünftiges herauskommen? Ähnlich wie die Zwiebelsuppe. Wenn man weniger als fünf Stunden Zeit hat, sollte man gar nicht erst damit anfangen. Es gibt eine Kitchen Nightmares Folge, in der Gordon Ramsay eine unsäglich schlechte, ölige Zwiebelsuppe bekommt. Als er sich beschwert, sagt der Ober: "Kein Problem, der Koch macht ihnen schnell eine neue Suppe". Ramsay schaut den Mann entgeistert an und sagt: "Schnell eine neue Suppe? Alleine das Karamellisieren der Zwiebeln dauert vier Stunden!" Recht hat der Mann. Aber gehen wir die Schritte mal im Einzelnen durch. Inspiration war hier übrigens The Masked Chef, der sich wiederum am Rezept von 3-Sterne-Koch Thomas Keller orientiert. 



Ja, auch ich habe schon öfter Zwiebelsuppe gemacht, habe dabei aber scheinbar keinen, der oben genannten Fehler ausgelassen. Weiter unten dazu mehr.

Als Vorspeise für sechs Portionen:
  • 3 kg Zwiebeln (hier 2 kg rote, 1 kg normale)
  • 200 g ungesalzene Butter
  • 1 TL Salz
  • 1/3 TL Pfefferkörner
  • 2 - 3 Lorbeerblätter
  • einige Stiele Thymian
  • 2 l guter Rinder-, Kalbs- oder Hühnerfond (möglichst salzlos) 
Baguette
  • würziger Käse (hier Comté)
  • Kräuter (z.B. Schnittlauch, Petersilie)
  • Essig (z.B. Sherryessig)
  • Salz

Zwiebeln pellen, von Wurzel zur Spitze halbieren und längs in Streifen schneiden. 

Butter in einem großen beschichteten Topf oder Pfanne schmelzen und Zwiebeln mit einem Teelöffel Salz darin bei niedriger Temperatur anschwitzen. Das sieht erst mal nach viel aus, aber das Lauchgewächs fällt noch in sich zusammen. Ich habe hier trotzdem zunächst meine mittlere 36er Paellapfanne mit Beschichtung genommen

Der Gedanke ist, das Ganze nun langsam - und ich meine wirklich langsam - schmoren zu lassen. Wir wollen keine Röstaromen. Die Stärke in der Zwiebel soll in Zucker umgewandelt werden und dieser wiederum den Karamellisierungsprozess in Gang bringen. 

Damit nichts anbrennt und bitter wird, müssen wir das Bratgerät nun ständig im Auge haben - also bildlich gesprochen - und alle fünfzehn Minuten dessen Inhalt umrühren. 


Nach einer Stunde sind die Zwiebeln schon weich und haben viel Flüssigkeit abgegeben.


Nach knapp eineinhalb Stunden sieht es so aus.


Nach zwei Stunden.


Eine weitere halbe Stunde später sind die Zwiebeln dann in eine beschichteten Topf umgezogen, weil dort die Hitze gleichmäßiger ist. In der Paellapfanne war es mittig wesentlich heißer als am Rand und ich musste öfter als nur jede Viertelstunde durchrühren.   


Nach vier Stunden ist es soweit. Die Zwiebeln sind schön breiig, von schokoladenartiger Farbe und duften enorm. Sie sind nun so süß, das man sie glatt so aus dem Topf löffeln möchte.


Nun kommt das Ganze in einen größeren Suppentopf.


Die Kräuter und der Pfeffer werden am besten in ein Teeei oder, wie hier, einen Teefilter gegeben. So ein Säckchen nennt die frankophile Fachkraft sachet.  


Zwiebeln mit der Brühe aufgießen - und es empfiehlt sich wirklich, eine gute, selbstgemachte zu nehmen - und mit dem Kräutersäckchen noch ein Stündlein köcheln lassen. Dann mit etwas Essig abschmecken und bei Bedarf nachsalzen. Zucker ist völlig unnötig und Mehl zum Binden brauchen wir auch nicht, dass alles erledigen die guten Zwiebeln.


Brot in dünne Scheiben schneiden und im Backofen anrösten. Suppe in ofenfeste Schalen oder tiefe Teller geben, Brot darauf legen ...



... und mit Käse bedecken.



Unter dem Grill goldgelb überbacken.


Nur zum Vergleich, hier ein Bild von 2013, wo ich die Zwiebeln nur weich geschmort habe. Das Resultat ist eine blasse Angelegenheit. 



2016, nach einer dreiviertel Stunde schmoren einen Hauch dunkler, aber weit von dem heutiger Ergebnis entfernt. 



Hier kann man am Rand erahnen, wie dunkel und sämig die Suppe war - das ist Geschmack pur. Ein paar gehackte Kräuter runden das Ganze ab. Ich behaupte nicht zuviel, wenn ich sage, la familia war aus dem Häuschen. Die investierte Zeit hat sich mehr als gelohnt, auch wenn jetzt wieder Leute mit dem "Energiekosten-Argument" kommen. Das ist mir egal, bei uns gibt es ab jetzt Zwiebelsuppe nie wieder anders. 
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Flashback:



Heute vor einem Jahr: Hähnchenspieß alla puttanesca und mehr

10 Kommentare:

  1. Ich bin gespannt... und jetzt bei zweieinhalb Stunden ;)

    LG, Julia

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  2. Ganz genau! Geschmack entsteht durch kochen und nicht durch würzen.

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    1. Zeit und Liebe sind neben der Qualität der Zutaten die besten Küchenhilfen.

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  3. Bin jetzt bei fast drei Stunden, mache es sehr vorsichtig, damit es von unten nicht dunkel wird und anfängt festzukleben. Frage mich die ganze Zeit, ob die Pfanne einen Deckel bräuchte oder ob die Feuchte der Zwiebeln auch ohne ausreicht.

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    1. Erst einmal Glückwunsch, dass du den Klassiker ausprobierst. ich habe keinen Deckel benutzt. Wichtig ist regelmäßiges Rühren, ein Auge darauf behalten und wirklich ganz, ganz niedrige Temperatur.

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    2. Update: Hat ohne Deckel alles wunderbar geklappt. Danke!

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    3. Hi, danke für dein schnelles Kommentar, hatte ich zuerst nicht gesehen. :)
      Ich musste hier in der Ferienwohnung noch ein paar Kompromisse machen, u.a. musste ich auf das Gewürzsäckchen verzichten und hab statt im Schälchen überbacken das Brot allein überbacken und auf den Suppenteller gelegt. Säure habe ich mit einer kl. Tasse Grauburgunder reingebracht. Gemüsefond war gezalzen, war aber OK so. Auch wurde sie extrem cremig, das nächste Mal lasse ich etwas mehr mehr Flüssigkeit drin.
      Am Ende hat es allen sehr geschmeckt, Sohnemann meint sogar "Top 5" :P
      Und da ist ja noch Potenzial nach oben drin ;)
      Und das Überbacken wird zuhause in geeigneten Schälchen sicher auch noch mal eine bessere Löffelerfahrung bieten 😁

      LG Raphael

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    4. Super. Das sind die Rückmeldungen, die ich brauche. Freut mich, dass es auch unter "improvisierten" Umständen geschmeckt hat. Respekt sowas im Ferienwohnung durchzuziehen, wo die meisten nur Dosenravioli erhitzen.

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